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Warum manchmal andere helfen können

  • Caroline
  • 2. Sept.
  • 3 Min. Lesezeit

Heute Abend falle ich um 22.00 todmüde ins Bett. Mein Kopf schwirrt von den verschiedenen Situationen des vergangenen Tages: Meine Mutter, die ihre Tabletten nicht mehr findet. Mina, die statt in den Europapark zu fahren, nach 20 Minuten schon wieder zu Hause ist. Ein schwieriges Telefongespräch, das ich abrupt abbrechen muss. Und schließlich ein freudestrahlendes Kind, das seine Ängste überwunden und einen wunderbaren Tag mit seiner grossen Schwester verbracht hat!


Heute war der Tag, an dem Mina mit Yasmin in den Europapark fahren wollte. Das hatte sie sich ganz fest gewünscht, und war sogar bereit, mit dem Auto dorthin und wieder zurück zu fahren. Yasmin hatte in der Nacht davor bei uns übernachtet, damit die beiden schon um 7.00 morgens starten konnten. Das war der Plan. Minas liebste Plüschtiere, Kuscheltuch und Teddy sowie ein paar Lieblingssüssigkeiten warten im Gang. Doch Mina, die sonst immer sehr frühzeitig packen will, trödelt heute Morgen herum. Kein gutes Zeichen.


„Mina, was möchtest du zum Essen mitnehmen für Zmorge und Znüni?“ „Weiss nicht.“ Damit verschwindet sie wieder in ihrem Zimmer. Ich gehe ihr nach und sehe die türkisfarbene Kinderwolldecke, die bei uns in der Familie nur „de Olaf“ heisst; benannt nach dem berühmten Schneemann, der darauf zu sehen ist. „Mina, möchtest du Olaf noch mitnehmen, damit du es schön kuschlig hast beim Fahren?“ „Nein, schon gut, Mami, den brauche ich nicht.“ Schlussendlich fahren Yasmin und Mina 20 Minuten verspätet ab, nur um nach 10 Minuten schon wieder anzurufen: „Mami, ich habe mein Kuscheltuch und den Teddy vergessen!“ Die beiden wichtigsten Sachen! Mina vergisst sonst nie etwas. Es ist, als ob gar nicht gehen wollte…


Als die beiden zur Türe hereinkommen, bin ich mitten in einem wichtigen Telefonat, das ich so gelegt habe, weil ich dachte, dass Mina um diese Zeit schon längst Richtung Deutschland unterwegs sein würde. „Entschuldigung, wir müssen später weiterreden. Ich werde hier gebraucht“, sage ich und lege auf. Mina wirkt verwirrt und ist ganz durcheinander. Roter Zustand. „Mami, ich brauche auch noch die Olaf-Decke“. Nanu, die hat sie doch vorhin nicht gewollt? Aus unerfindlichen Gründen ist Olaf aber nun verschwunden und lässt sich nicht mehr aufspüren. „Habt ihr die Decke vorhin nicht doch ins Auto mitgenommen?“, frage ich Yasmin. „Nein, da ist sie nicht.“


Was machen wir bloß? Ein Blick in Minas Gesicht verrät mir, dass es nur wenig braucht, und das Unternehmen Europapark ist beerdigt. Und ich muss in einer halbe Stunde mit meiner Mutter zur Neurologin, ein wichtiger Termin. Da kommt mir eine Idee: „Also komm, Mina, du kannst meine ganze Bettdecke mitnehmen. Die riecht nach Mama. Und ich wickle sie um dich herum, okay?“ Mina nickt. Wir gehen wieder zum Auto. Yasmin trägt Kuscheltuch und Teddy und ich meine Bettdecke, Mina an der Hand. Innerlich muss ich grinsen: Was wohl die Leute auf der Strasse denken, wenn sie unsere Prozession sehen? Mina steigt wieder ins Auto. Ich drapiere meine Bettdecke um sie herum, gebe ihr einen Abschiedskuss auf den Lockenkopf und schließe die Autotüre. Gute Fahrt!


Innerlich rechne ich schon damit, dass sie wieder zurückkommen. Doch nun wartet meine Mutter auf mich. „Ich finde meine Tabletten in der Wohnung nicht mehr“, sagt sie. Noch jemand, der durcheinander ist… „Wir schauen nach dem Arztbesuch, ok?“ Zwei Stunden später schickt mir Yasmin eine Foto mit einer lachenden Mina drauf. Darunter steht: „Nur noch 30 Minuten bis zum Europapark! Alles ein bisschen länger gegangen, aber läuft tipptopp. Wahrscheinlich erst um 20.00 Uhr daheim. Mami, enjoy your day!“ Unglaublich, was Yasmin geschafft hat mit Mina. Abgesehen von der kurzen Fahrt am Muttertag ist sie ja seit einem Jahr nicht mehr ins Auto gestiegen. Und nun das: Zweieinhalb Stunden im Auto. Gestern hat Yasmin mir erklärt, ihr sei es egal, was sie an Minas freiem Tag machen würden. Und wenn es nicht in den Euopapark gehe wegen Minas Ängsten, würden sie halt etwas anderes unternehmen. Dieser Tag gehöre einfach Mina. Ein Hoch auf Yasmin!


Manchmal braucht es andere Menschen. Solche, die nicht tagtäglich mit den Pflegekindern zusammenleben und manchmal zu dicht dran sind am Geschehen. Die unbekümmerte und lockere Art von Yasmin hat bestimmt viel Druck von Mina genommen. So dass SIE es schlussendlich in den Europapark schaffen wollte. Als die beiden am Abend heimkehren, erzählt Yasmin: „Zuerst hatte Mina eine halbe Stunde lang mega Mühe. Dauernd sagte sie: „Ich habe heiß, Kopfschmerzen, mir ist übel“. Anhalten wollte sie aber nicht. Dann hat sie eine Stunde geschlafen, und danach lief es wie am Schnürchen. Genau wie auf dem Heimweg.“


Nun versteht ihr sicher, dass ich nach diesem Tag erledigt bin. Die Tabletten meiner Mutter waren übrigens nicht mehr auffindbar. Aber das Telefongespräch konnte ich zuende führen. Yasmin ist in ihr eigenes spannendes Leben zurückgekehrt. Und die Olafdecke habe ich auf den Ersatzreifen in der Tiefgarage gefunden. Wie gut, dass wir unser Leben nicht alleine bestreiten müssen…


ree


 
 
 

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