Wisst ihr, was passiert ist, als ich letzten Winter ein paar Tage mit meinen grossen Töchtern wegfahren wollte, um etwas auszuspannen? Zum einen habe mich recht schlecht gefühlt bei dem Gedanken, ohne Mina wegzugehen. Etwas, das vermutlich viele Mütter mit kleineren Kindern kennen, nicht nur Pflegemütter. Selbstfürsorge "auf Kosten des Pflegekindes", ist das überhaupt erlaubt?!?
Mein Mann würde sich in dieser Zeit liebevoll um das "Einzelkind" kümmern, das wusste ich genau. Und dennoch war es mir so unangenehm, Mina zu eröffnen, dass ich wegfahre, dass ich es ihr erst vier Stunden vor der Abfahrt erzählte. So ein Feigling war ich! Ich befürchtete nämlich, dass wir mit Mina eine schwierige Zeit hätten, wenn ich es ihr früher sagen würde.
Mina versuchte mich zuerst mit Charme vom Weggehen abzuhalten, und schlug vor, mein Mann könne ja an meiner Stelle fahren, und ich dafür zu Hause bleiben. Als ich ihr aber sagte, dass ich auf jeden Fall fahren werde, kippte Mina auf einmal ins Rote und versuchte mich eine Stunde lang zu schlagen. Nichts, was ich sagte oder tat, kam bei ihr an. Kein Festhalten der Hände, kein Gummibärli, kein Kuscheltuch, weder beruhigendes Zureden noch frische Luft konnten sie da herausholen. Auch mein Mann konnte nichts tun. Als ich ankündigte, ich würde in mein Zimmer gehen und mich einschliessen, wenn sie nicht aufhöre, holte Mina einen Bürostuhl und schlug auf damit auf die Türe ein. In diesem Moment realisierte ich, dass Mina und ich das jetzt einfach zusammen durchstehen mussten. Deshalb hielt ich sie weiter davon ab, mich zu schlagen, blieb aber bei ihr, bis sie schliesslich wieder in den grünen Zustand zurückkehrte. Endlich konnte ich Mina die farbigen Kleberli geben, die sie bis zu meiner Rückkehr jeden Tag aufkleben konnte.
Auf der Fahrt zur Erholung musste ich mich zuerst einmal von dieser Szene erholen, bis ich entspannen und die freie Zeit geniessen konnte.
Das zweite Mal diesen Sommer ging ich ein paar Tage wandern. Diesmal kündigte ich es Mina zwei Wochen vorher an und fragte sie, was ich tun könnte, damit diese Tage auch für sie schön sein könnten. Mein Vorschlag war, dass wir für jeden Tag jemanden aus der Familie als Mama bestimmen könnten. Als Mina das hörte, lachte sie laut heraus und sagte: "Aber Mami, Papa ist doch ein Mann, der kann doch keine Mama sein! Nein, ich will lieber Schlecki." "Echt jetzt, wenn du Schlecki bekommst, ist es für dich ok, dass ich für ein paar Tage weggehe?", fragte ich ungläubig. Mina nickte wie selbstverständlich, und wir kauften ein paar Süssigkeiten, die wir dann in vier kleine Säckchen verpackten. Und siehe da, keine roten Zustände bei Mina mehr, weder im Voraus noch bei meiner Abreise.
Warum ich das heute erzähle? Im Moment bin ich wieder ein paar Tage weg von zuhause. Natürlich kündigte ich auch das vorher an. Auf meine Frage, ob wir wieder Schleckisäckchen machen sollten, zuckte Mina bloss mit den Achseln und gab keine Antwort. Ich verstand, dass es diesmal nichts mehr brauchte. Minas letztes Statement vor meiner Abfahrt war: "Weisst du, Mami, Papi geht dann wieder mit mir in den Mac essen!..."
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