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  • Caroline

Ich han Hunger!!!

Abends um 17.45 Uhr. Heute holt mein Mann Mina vom Hort ab und bringt sie heim. Leider 25 Minuten früher als geplant. Und statt dass er mit ihr hochkommt und sich um sie kümmert, schickt er Mina alleine die Treppe hoch und fährt wieder weg, um das Auto zu parken. Mein Plan war es, für das Abendessen vorzukochen, damit ich Mina meine volle Aufmerksamkeit geben kann, wenn sie heimkommt. Ich kenne doch meine Pflegetochter. Doch das frühe Heimkommen bringt alles durcheinander. Als Mina zur Türe reinschneit, bin ich gerade beim Zwiebelrösten. Das heisst, ich muss ein Auge auf die Bratpfanne haben, damit die Zwiebeln nicht anbrennen. Hätte ich eine Vorstellung davon, welcher Sturm in Kürze über uns hereinbrechen wird, würde ich einfach den Herd ausschalten, die Pfanne zur Seite schieben und mich nur Mina widmen. So aber fühle ich mich vor allem aus dem Konzept gebracht und ärgere mich über meinen Mann. Prompt beginnt Mina zu jammern: "Ich wott es Guetzli!" Na toll, Süssigkeiten vor dem Abendessen. Aber weil ich unbedingt weiterkochen will und spüre, dass Mina im Kippmodus ist, trage ich den gewünschten Keks zusammen mit dem Geschichtentablet in ihr Zimmer; Mina und ihr Kuscheltuch im Schlepptau. Hoffentlich hilft ihr das runterzukommen, denke ich noch. Und bin mit dem Kopf bereits wieder in der Küche.


"Gefahr gebannt," sage ich zu meinem Mann, als der von der Tiefgarage zurückommt. Weit gefehlt. Schon bald taucht Mina wieder im Wohnzimmer auf. Diesmal schreit sie hysterisch: "Ich han Hunger! Ich han Hunger! Ich han Hunger!" Au weia. "Ruhig Blut, Stauffacher," rede ich mir selber gut zu und beginne laut aufzuzählen, was ich daheim habe. Sonst braucht Mina nie sofort etwas zu essen, wenn sie heimkommt. Das eigentliche Abendessen schmort mittlerweile im Ofen und dauert noch. "Darvidas?" "Ich han Hunger!" "Spätzli?" "Ich han Hunger!!" "Toast?" "Ein Omelett?" "Ich han Hunger!!!" Ihr könnt euch sicher lebhaft vorstellen, wie sich meine innere Ruhe innert kürzester Zeit verflüchtigt. "Mina, hör auf zu schreien! Gib mir Antwort und sag mir, was du essen möchtest." "Ich han Hunger!!!!" Als Mina mich jetzt auch noch an den Haaren packt und einfach weiterschreit, weiss ich, dass ich sofort eine Pause brauche, sonst verliere ich selber noch komplett die Nerven. "Mir reichts, ich gehe auf den Balkon," sage ich abrupt und werfe meinem Mann beim Hinausgehen noch einen bösen Blick zu. Denn in meinen Augen ist er der Hauptbösewicht, weil er Mina zu früh heimgebracht hat.


An der frischen Luft erinnere ich mich daran, dass Mina in der Nacht mit Ohrenweh erwacht ist und meinen Mann geweckt hat. Bis 4.00 Uhr früh waren die beiden wach, dann konnte er sie wieder ins Bett bringen. Vielleicht ist er doch kein Bösewicht, denke ich, denn schliesslich hat er mich in der Nacht selbstlos weiterschlafen lassen. Mina ist also heute Abend unter anderem einfach ein todmüdes Kind. Nun weiss ich auch, was ich tun muss: An Minas Seite bleiben, bis die Krise ausgestanden ist. Ich hole ein Kartenspiel, das die immer noch schreiende Mina gerne mag, und setze mich neben sie aufs Sofa. Ihr jetzt bloss nicht in die Augen schauen und nichts zu ihr sagen, das machts nur schlimmer. Ich zähle 20 Karten ab und verteile sie auf zwei Stapel. Einen lege ich vor Mina hin, der andere ist meiner. Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass Mina mir aufmerksam zuschaut. Ihr Schreien wird leiser und leiser und verstummt schliesslich ganz. Dann nimmt sie ihre Karten in die Hand und sagt: "Mami, bitte ein Omelett."


Hurra! Kind beruhigt, Problem gelöst. Jetzt nur noch schnell das Omelett zubereiten... Ich öffne den Kühlschrank und will die Eier herausnehmen. Ich brauche nur eins. Doch wo ich auch hinschaue: Keine Eier! Wie war das noch? Yasmin hat sich doch nach dem Sport ein Rührei gemacht, und das war offenbar das letzte Ei. Mist!! Am liebsten würde ich einfach losschreien, so wie Mina vorher. Stattdessen atme ich wieder einmal tief durch und gehe zu Yasmin. "Hör mal, da du das letzte Ei gegessen hast, gehst DU jetzt bitte zur Nachbarin und holst mir ein Ei, damit ich Mina ihr Omelett machen kann." Yasmin sieht das gar nicht ein und schimpft lautstark vor sich hin: "Ihr seid doch alle total übergeschnappt!" Als ich festbleibe, geht sie schnaubend aus der Wohnungstür und kommt 5 Minuten später mit einem Ei in der Hand zurück. "Danke, Yasmin," sage ich zu meiner böse dreinblickenden Tochter. Von wem sie das wohl hat?!? Mina, nun wieder fromm wie ein Lämmchen, isst ruhig ihr Omelett und lässt sich dann problemlos zu Bett bringen. Ei gut, alles gut!




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