top of page

Huhn oder Ei?

  • Caroline
  • vor 15 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit

Auffahrtstag. Heute will ich endlich ein oder zwei Büchlein von Claudia Croos-Müller bestellen, weil mir die im Coaching empfohlen worden sind. Ich möchte Mina beim Überwinden ihrer Autofahrängste helfen. Die Idee ist, dass wir miteinander einige Körperübungen zur Entspannung lernen und dann beim Autofahren anwenden. Damit soll das Üben und Desensibilisieren für Mina erträglicher werden. Ich würde es ihr wünschen, dass sie das Autofahren mit der Zeit als okay erleben kann und es nicht mehr fürchten muss. Als wir am Muttertag das letzte Mal ins Auto gestiegen sind, hat Mina ihren ganzen Mut zusammengenommen und war trotz der kurzen Strecke sehr angespannt.


Während ich noch dabei bin, die verschiedenen Büchlein danach durchzuschauen, welche am besten passen, meldet sich Mina in forderndem Ton: „Mami, gib mir Fr. 50.—, gib mir Fr. 50.—!“ . So wie ihre Stimme klingt, tippe ich auf roten Zustand. Genau jetzt müsste ich die Entspannungsübungen schon intus haben. Aber Mina lässt mich ja nicht mal in Ruhe etwas auswählen und bestellen. Ich fühle mich wie in der Geschichte mit dem Huhn und dem Ei.


Und weshalb ist Mina überhaupt schon wieder im roten Zustand?? Ich habe mich ihr seit dem Aufwachen liebevoll gewidmet. Doch die Anspannung, die schon morgens von ihr ausging, hat sich nicht verringert, sondern jetzt offenbar das nächste Stadium erreicht. Ich ziehe Mina vorsichtig auf meine Knie und lege versuchsweise die Arme um sie. Dann antworte ich, dass ich ihr nicht einfach so Fr. 50.— geben kann. Mina wiederholt ihre Forderung in noch aggressiverem Tonfall.


Ich habe sie bereits gefragt, wofür sie denn soviel Geld braucht. Keine Antwort, dafür wieder dieselbe Leier: "Gib mir jetzt Fr. 50.—!“. Ich habe Mina auch schon gesagt, dass ich sie liebhabe und alles tun möchte, damit es ihr gut geht. Hat nichts genützt. „Wieso gibst du mir das Geld nicht?“ „Weil es im Leben später auch nicht einfach Geld gibt, nur weil man das will, und weil es viel Geld ist.“ „Gib mir das Geld!“ Am liebsten würde ich aus der Wohnung laufen. „Mina, sollen wir etwas im Fernsehen anstellen?“, frage ich stattdessen. Mina antwortet böse: „Lenk mich nicht ab, hörst du?!“ Ich hole Minas Bettdecke und breite sie neben ihr aus, Kuscheltuch und Teddy daneben. Dann hole ich einen Lollipop aus meinem Vorrat für rote Zustände. „Ich will keinen Lolli!“ schreit Mina. Ich lege den Schleckstängel trotzdem auf die Bettdecke. Etwas anderes fällt mir im Moment nicht ein.


Nach einer gefühlten Ewigkeit setzt sich Mina auf die Decke. Zuerst zögere ich. Dann bockt Mina, als ich vorsichtig an der Decke ziehe. Doch irgendwann schaffen wir es in mein Zimmer. Vor dem Fernseher packt Mina den Lolli aus und lutscht daran. Gut. 15 Minuten später sagt sie: „Okay, Mami, du kannst mich jetzt anziehen, dann gehe ich nachher raus zum Spielen.“ „Okay, Mina.“ Nein, ich habe keine Ahnung, warum Mina so gestresst war. Aber das Thema mit den Fr. 50.— ist zum Glück vom Tisch. Als Mina nach draussen zum Spielen geht, atme ich erleichtert auf.


Eine Woche später sind die Büchlein von Claudia Croos-Müller da. Ich blättere im „Alles gut“-Buch und finde eine einfach Übung: Finger beugen und strecken. Zuerst öffnet und schließt man die eine und dann die andere Hand. Und wieder von vorn. Das soll im Gehirn etwas bewirken? Naja, versuchen kann ichs ja. Nachdem ich die Hände abwechslungsweise ein paarmal geöffnet und wieder geschlossen habe, stelle ich tatsächlich einen Effekt fest: Überraschenderweise fühle ich mich optimistischer, zuversichtlicher und beschwingter als vorher. Diese Übung hätte ich gut gebrauchen können, als Mina letzten Sonntag partout Fr. 50.-- auf die Hand wollte...


P.S. Wollt ihr wissen, was wir nach Croos-Müller mit „Hände auf und zu“ in uns hineinpumpen? Gemäss Autorin führen die abwechselnden Handbewegungen im Gehirn zur wichtigen Erkenntnis, handlungsfähig zu sein und die Sache - spielerisch - im Griff zu haben. Echt jetzt? Die Sache im Griff zu haben, das wünschen sich wohl alle Pflegeeltern, oder? In jeder (roten) Situation handlungsfähig zu bleiben und die Sache spielerisch im Griff zu haben, das wärs. Als Mina heimkommt, zeige ich ihr die Übung und versuche altersgemäss zu erklären, was sie im Gehirn bewirken soll.


P.P.S Am Abend höre ich, wie Mina Romeo erzählt: „Papi, weisst du, in diesen Büchlein hat es so Zeichnungen und Sachen, die man machen kann. Schau so… Und wenn man das macht, wird man fröhlich, sagt Mami.“ Stille. Dann höre ich Romeo antworten: „Das ist ja sehr interessant, Mina“…


ree






 
 
 

Comments


bottom of page