Seit ein paar Wochen mache ich eine Online-Weiterbildung. Konkret heisst das, dass ich wöchentlich zwei bis drei Stunden aufwenden muss, um den immer wieder neuen Stoff zumindest einmal gehört und gelesen zu haben.
Was ich noch erwähnen muss: Ich habe mich erst zwei Monate nach dem offiziellen Beginn der Weiterbildung angemeldet. Das bedeutet, dass ich bis auf weiteres den doppelten Stoff absolvieren muss, bis ich die anderen eingeholt habe. Und wo soll ich diese fünf Stunden in meinem Wochenplan bitteschön noch unterbringen? Denn am Wochenende gehört meine Zeit Mina: Zwar spielt sie immer wieder mal eine halbe oder ganze Stunde für sich allein. Berechnen oder Planen lässt sich das aber nicht.
Deshalb habe ich mich während der ersten Wochen nur an die Weiterbildung gewagt, wenn Mina in der Schule war. Zusammen mit allem, was ich sonst noch in diese Zeit hineinpacken muss - Sport, Erholung, Haushalt, Administratives, Blogschreiben, spontane Gespräche mit Julia und Yasmin, u.V.m. - ein ziemlich schwieriges Unterfangen. Meistens muss ich irgendwo Abstriche machen, und das befriedigt mich gar nicht. Zudem merke ich, dass ich gestresster bin als sonst. Ach ja, habe ich das schon gesagt? Anfangs Februar findet eine Semesterprüfung statt, und bis Ende Januar muss ich die Semesterarbeit abgeben...
Wie üblich stürzt sich Mina auch heute Sonntagmorgen wie ein Habicht auf mich, als ich aus meinem Zimmer komme: "Spielen wir?" "Wo denn?" "In meinem Zimmer natürlich," erwidert Mina, wie wenn das sonnenklar wäre. Nach der ersten Tasse Kaffe folge ich ihr ins Zimmer und frage spontan: "Mina, kann ich mich eigentlich auch auf dein Hochbett setzen statt mir dir auf den Boden, wenn du spielst?" Mina ist einverstanden. Viel weicher als auf dem Boden, denke ich happy. Dann aber wird mir langweilig, und mir kommt eine Idee: "Meinst du, ich könnte auch mein Handy holen und ein wenig Schule für mich machen, wenn du da unten Playmobil spielst? " "Soll ich dir dein Handy holen, Mami?", fragt Mina hilfsbereit. Ich staune. "Gerne, Mina, hol du das Handy und ich meinen Ordner mit den Leuchtstiften, okay?" Bereitwillig bringt sie mir das Geschwünschte, und ich mache es mir auf dem Bett gemütlich. Ich weiss schon, was ihr denkt: Auf dem Computerbildschirm könnte ich deutlich mehr von den Präsentationen sehen als auf dem Handy, aber so geht es auch.
Ich platziere das Handy quer auf Minas Bettdecke und widme mich der Weiterbildung. Unter mir wühlt Mina in ihren Playmobilkisten und macht einen Heidenlärm. Ich getraue mich aber nicht, einfach lauter zu stellen. "Mami, findest du, ich mache grossen Krach?" "Ja, Mina, ehrlich gesagt schon. Aber ich könnte auch einfach lauter stellen bei meinem Handy, dann höre ich wieder genug." Mina nickt und vertieft sich bereits wieder in ihr Spiel. Unglaublich, dass es offenbar ausreicht, dass ich im gleichen Zimmer bin wie sie. Sie muss mich nicht mal sehen beim Spielen.
Und so beginne ich, unser Zusammensein, das mir wie ein geschenktes Teamwork vorkommt, zu geniessen: Mina baut am Boden, ich höre meine Weiterbildung auf ihrem Bett und mache mir Notizen. Win-win! Erst als ich nach einer Stunde von Minas Bett heruntersteige, spüre ich, wie steif meine Glieder sind nach 60 Minuten in sitzender oder halbliegender Stellung auf dem Bett: Hüfte, Beine, Knie, Füsse, alles scheint gleichzeitig wehzutun. Na ja, ich bin nicht mehr 20... Aber in meinem Geist, da hüpfe ich wie ein junges Rehlein. Denn Mina und ich haben heute etwas herausgefunden, das für uns beide wohltuend ist: Sie hat mich in ihrer Nähe im Zimmer, was ihr offenbar die innere Sicherheit und Ruhe gibt, damit sie sich alleine beschäftigen kann. Und ich muss die Weiterbildung nicht mehr auf Minas Schulstunden beschränken, sondern kann richtig durchstarten. Zudem habe ich das Gefühl, dass es Mina irgendwie mit Stolz erfüllt, mir bei meinem Schulstoff helfen zu können, indem ich bei ihr im Zimmer arbeiten darf. Muss ich mir merken.
Ob ich die Semesterarbeit denn auch auf Minas Bett zu schreiben gedenke und liegend auf die Prüfungen lernen werde? Weiss ich noch nicht. Denn das ist eine Geschichte für einen anderen Tag...
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