Es ist so cool im Swimmingpool
- Caroline
- 26. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Ihr denkt sicher, ich übertreibe: Zwei Abende und eine halbe Stunde an einem dritten Tag habe ich damit zugebracht, Mina zum Akzeptieren eines nötigen Neins zu bewegen. Zwei Fünftklässlerinnen, ihre derzeitigen Lieblingsmenschen, hatten am Sonntag abgemacht, am Mittwochnachmittag zusammen ins Freibad zu gehen. Die eine, Nici, hat einen Bruder in der dritten Klasse, Flo, der ebenfalls zu Minas Freunden gehört. Als Flo vom Plan der beiden Mädchen erfuhr, wollte er ebenfalls mit den Großen in die Badi statt den Mittwochnachmittag im Hort zu verbringen, wo Nici, Flo und Mina aber angemeldet sind. Die Mutter von Nici und Flo ließ sich erweichen und meldete die Kinder für diesen Nachmittag ab.
Was das mit Mina und mir zu tun hat? Gar nichts - bis zum Moment, als die drei Badi-Kinder Mina fragten, ob sie nicht auch mit ins Schwimmbad kommen wolle. Natürlich wollte sie. Und bedrängte nun uns Pflegeeltern, sie mitgehen zu lassen. „Wir passen auf Mina auf,“ beteuerten Nici und ihre Kollegin. „Nein“, sagte Romeo. „Nein“, sagte auch ich. Obwohl Mina für ihr Alter gut schwimmen kann und beim Baden keine riskanten Dinge macht, stand es für uns ausser Frage, den beiden Zwölfjährigen beim Schwimmen die Verantwortung für zwei Neunjährige aufzubürden. Ausserdem kostet die Mittwochsbetreuung.
Doch Mina konnte unser Nein nicht akzeptieren und fiel beim Diskutieren zwei Abende hintereinander in den roten Zustand. Am Montagabend war Mina so verzweifelt, dass ihr die Tränen runterliefen, als sie uns zum wiederholten Male anflehte, sie mit in die Badi zu lassen. Ich erklärte ihr, dass es mir leid wirklich tue, aber dass sie ohne Begleitung einer erwachsenen Person einfach nicht mitkönne. „Aber ich passe mega gut auf, Mami!“ Ich hatte das Gefühl, dass es für Mina in ihrem Zustand rüberkam, als würden wir ihr nicht zutrauen, sich in der Badi richtig zu verhalten. Mist. „Mina, es liegt nicht an dir, du machst alles richtig. Ich weiss, dass du gut schwimmen kannst und vorsichtig bist. Aber ich möchte nicht, dass deine Freundinnen beim Baden für dich verantwortlich sind. Sie sind selber noch Kinder und sollen nicht auf euch aufpassen müssen.“ „Aber Flo ist auch ein Drittklässler und darf mit!“ „Ja, das finde ich auch keine gute Idee. Und weisst du, der Hort kostet auch Geld, den wollen wir nicht so einfach streichen.“ Nun ging Mina praktisch vor mir in Knie und fragte wie im Fieber: „Wieviel kostet denn ein Hortnachmittag?“ „Vielleicht so Fr. 50.—„, antwortetete ich. „Mami, ich gebe dir die Fr. 50.— von meinem gesparten Sackgeld. Aber lass mich nur mitgehen.“ Mina war so in ihrem Film, dass sie das tatsächlich gemacht hätte.
Bereits am Nachmittag hatte mir auch die zwölfjährige Nici nochmal persönlich geschrieben: „Wir schauen auf Mina in der Badi. Bitte, darf sie mitkommen?“ Auch das noch, dachte ich. Ganz schön anspruchsvoll, bei diesem Gestürm ruhig zu bleiben. Einmal musste ich kurz aus dem Zimmer, um mich wieder zu beruhigen. Minas mutmaßliche Gefühle von Verzweiflung, Wut und Druck übertrugen sich ungefiltert auf mich. Am liebsten hätte ich Mina angeschrien, sie solle jetzt endlich aufhören. Doch ich wusste natürlich, dass sich dann alles noch mehr zugespitzt hätte.
Auch beim Anziehen heute Dienstagmorgen stürmt und bettelt Mina weiter, ich solle sie am Mittwochnachmittag mitgehen lassen. Wieder fällt sie in den roten Zustand. Ich habe das Gefühl, es braucht nur ganz wenig und sie fängt an mich zu schlagen. „Immer sagst du nein!“ „Im Gegenteil, Mina, wir sagen so oft wie möglich ja, weil es so schwierig für dich ist, wenn wir nein sagen müssen.“ Heute morgen bin ich nicht wütend, sondern eher traurig und voller Mitgefühl für Mina und für mich. „Aber Flo…“ „Weisst du, Mina, eigentlich wünsche ich mir, dass du mir in solchen Situationen vertraust, dass ich es gut mit dir meine und dich lieb habe, auch wenn ich mal nein sagen muss.“ Das stoppt die Flut an diesem Morgen. Ob auch sonst etwas davon zu Mina durchgesickert ist, kann ich nicht sagen.
Nein, natürlich ist die Sache damit nicht gegessen… Am Vorabend des Badimittwochs kommt eine neue Meldung: Nicis und Flos Cousine, die im gleichen Haus wohnt, begleite die Kinder in die Badi. Die sei schon 24 Jahre alt. Ja, klar rolle ich mit den Augen, als ich das höre. Gibts denn nie Ruhe an der Badefront? Aber jetzt weiss ich, dass auch Nicis Mutter ihren Neunjährigen nicht den beiden Zwölfjährigen aufbürden will. „Also Mina, du kannst Nici sagen, wenn die Cousine wirklich mitkommt und dich auch noch mitnehmen will, dann geht das für uns in Ordnung.“ Nici fragt bei der Cousine nach, ob Mina mitdarf. „Ausnahmsweise ja“ lässt die Cousine ausrichten. Nette Cousine… Als die Kinder am Mittwochnachmittag dann in die Badi abzotteln und ich an alleine zurückbleibe, kann ich nur eins denken: „Endlich himmlische Ruhe!“




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