Heute Morgen ist alles schiefgegangen. Mina ist für ihre Verhältnisse spät aufgewacht, und wir mussten uns etwas beeilen, um pünktlich in den Speisesaal zu kommen. Um sie aufzuheitern, fragte ich Mina, ob sie meinem Mann erzählen will, wie das gestern Abend gewesen ist, als er Mina schlafend heimgetragen hat und sie auf ihr Bett legte. Als er dann noch etwas trinken ging, öffnete sie plötzlich die Augen, grinste und sagte: "Mami, ich habe überhaupt nicht geschlafen!"
Doch statt wieder zu lachen und meinem Mann die Geschichte zu erzählen, beginnt Mina mich zu treten und zischt: "Du musst ihm nicht Sachen über mich erzählen". Ich spüre, wie ich auch wütend werde. Als ins Badezimmer gehe, geht Mina mit und schließt die Tür hinter uns ab. "Haha, nun kommst du nicht mehr raus." Ich versuche ruhig mit ihr zu reden und erkläre, dass ich dachte, sie freut sich und erzählt die Geschichte nochmal, dass das aber offenbar ein Fehler war und es mir leid tut. Nichts hilft, und Mina beginnt wieder zielsicher gegen mein Schienbein zu treten. Was für ein Horrortagesanfang!
Ich bin hilflos und wütend. "Was fällt dir ein, du kleiner Wicht", denke ich, "mich, die ich jeden Tag nett mit dir bin, so zu behandeln?!" Da mein Mann auch im Zimmer ist, sage ich: "So nicht mit mir, ich gehe jetzt raus." Mein Mann nickt und sagt, ich solle doch in Ruhe frühstücken gehen.
Auf dem Weg zum Speisesaal toben verschiedene Gefühle in mir, alle gänzlich unprofessionell: Ich bin wütend und verletzt, weil ich tätlich angegriffen worden bin und mich aus dem Zimmer "vertreiben" lassen musste. Ich bin beschämt über mich selber, weil ich mich provozieren liess, und fühle mich so, als hätte ich voll versagt. Dazu spüre ich je länger je mehr auch Traurigkeit und Hilflosigkeit darüber, dass es immer wieder solche Situationen gibt, obwohl ich doch alles gut und richtig machen will.
Ich merke, dass ich zuerst selber etwas Mitgefühl brauche, bevor ich wieder darüber nachdenken kann, was wir in Zukunft anders machen können. Ich hole mir am Büffet ein Müsli und zwei Spiegeleier, auch wenn ich grad keinen Hunger verspüre, und bestelle einen Kaffee mit Milch. Langsam fühle ich mich wieder ruhiger, wenn ich auch immer noch traurig bin über das Vorgefallene. Nun kann ich wieder Empathie für Mina empfinden und mich in sie hineinzuversetzen versuchen.
Am Nachmittag machen wir zu dritt einen Plan und verbringen die Zeit dann 1:1 mit Mina: Zuerst gehen wir zu zweit zum Coiffeur, wo Mina ihre langersehnten zwei kleinen Afrozöpfchen für 6 Euro bekommt. Dann spaziert mein Mann mit Mina zum Strand. Nach zwei Stunden selbstvergessenem Lesen blicke ich von meinem Krimi auf und sehe erstaunt, wieviel Zeit vergangen ist. Mein Mann schickt mir eine Foto von Mina und schreibt dazu: "Wir bleiben noch ein Stündchen. Es ist ja soooooo friedlich!"
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