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  • Caroline

Etwas ungeschehen machen

Aktualisiert: 26. Aug.

Warum habe ich das nicht sehen kommen? Wieso habe ich die Situation nicht stoppen können? Wenn ich doch bloss die Uhr zurückdrehen könnte...


Es ist Montag Nachmittag um halb fünf. Susanne, eine Freundin der Familie, kommt zu Besuch. Ich habe sie zum Kaffee eingeladen, damit sie Mina wieder einmal kurz treffen kann. Denn Mina wird das Wochenende bei Susanne verbringen. Um Problemen vorzubeugen, habe ich den Besuch so angesetzt, dass Mina in Ruhe von der Schule heimkommen, etwas essen, spielen und ausruhen kann. Dann wird das schon gehen, hoffe ich.


Susanne trifft pünktlich ein und trinkt mit mir Kaffee. Dabei versucht sie, mit Mina die Weihnachtskataloge durchzuschauen und zu erfahren, was diese sich wohl zum Geburtstag nächste Woche wünscht. Mina ist total hibbelig nach dem langen Schultag und blättert die Seiten im Katalog viel zu schnell um, so dass Susanne gar nicht folgen kann. Susanne schlägt ein Spiel vor, und Mina bringt die Uno-Karten.


Innerlich seufze ich frustriert auf. Das Uno-Spiel, muss das sein?!? "Susanne, dieses Spiel kann man mit Mina nur nach ihren eigenen Regeln spielen", erkläre ich ihr. Mina muss nämlich die Karten im Voraus präparieren und auch sonst immer wieder mal tricksen dürfen, wenn es nicht nach Gewinnen für sie aussieht. Hauptsache, sie gewinnt am Schluss. Andernfalls flippt sie aus. "Nein, nein, das geht schon", sagt Susanne überzeugt. Und dann nimmt die Sache ihren Lauf: Schnell fällt es Susanne auf, dass Mina alle guten Karten hat: Die Erwachsene muss nämlich schon nach drei Sekunden Spielzeit vier Karten vom Stapel aufnehmen. Unwillig akzeptiert Susanne die vier Karten extra. Dafür revanchiert sich damit, dass sie Mina in die Karten schaut. "Wenn du schon mogelst, dann müsste es wenigstens funktionieren. Siehst du, jetzt bin ich dran und dein Plan geht nicht auf." Ich sitze daneben und leide vor mich hin. Bald wirft Mina wütend die Karten hin.


"Hol doch etwas zum Ausmalen, Mina", sagt Susanne. Ich gehe mit der schon dunkelgelben Mina aus dem Zimmer. Ich hoffe, sie beruhigt sich wieder, wenn wir den Raum kurz verlassen. Ich sage ihr, dass sie auch in ihrem Zimmer spielen darf, wenn sie nicht mit dem Besuch zusammen sein will. Wir holen etwas zum Ausmalen und gehen zurück ins Wohnzimmer. Kaum sitzen wir wieder am Tisch, sagt Mina zu Susanne, die auch zu malen beginnt: "Du darfst meine Stifte nicht nehmen." "Ach was", sagt Susanne und legt den Stift zuerst nicht weg. "Und schau mich nicht an", verlangt Mina weiter. O je, schwierig, schwierig, denke ich. Weil Susanne keine Anstalten macht, wegzugucken, verschiebe ich meinen Stuhl so, dass Susanne nur mich im Blickfeld hat, wenn sie mit mir redet. Aber als Susanne wieder zu Mina schaut und etwas sagt, faucht diese: "Halt deine Klappe!"


Susanne springt vom Tisch auf und sagt: "So etwas muss ich mir nicht bieten lassen!" Sie marschiert in den Gang und beginnt umständlich ihre Schuhe anzuziehen. Ich versuche, Mina beruhigend über den Kopf zu streichen und sie gleichzeitig davon abzuhalten, Susanne mit der Türe einzuklemmen. Zudem möchte ich Susanne erklären, dass es für Mina einfach zu viel war an diesem Tag. Und ihr sagen, dass sie es hoffentlich nicht persönlich nehmen muss. Naja... Als Susanne weg ist, sagte Mina immer wieder: "Susanne war gemein zu mir."


Und ich sitze da und versuche zu verstehen, was da gerade abgelaufen ist. Wieso habe ich es nicht geschafft, die Eskalation aufzuhalten und die Situation zu unterbrechen? Ich war einfach überrumpelt und wie gelähmt, weil es heute so schwierig war. Und so hoffte ich wohl einfach, die Situation werde sich wieder beruhigen. Stattdessen stehe ich jetzt hilflos zwischen zwei empörten und verletzten menschlichen Wesen. Mir kommt es vor, als habe sich zwischen Suanne und Mina gerade ein Abgrund aufgetan, von dem ich keine Ahnung habe, wie der wieder aufgefüllt werden könnte. Mina zählt mir genau auf, was Susanne falsch gemacht hat: "Zuerst hat sie mir in die Karten geschaut, dann hat sie meine Stifte genommen, obwohl ich sagte, sie darf nicht. Und dann hat sie mich noch angeschaut, auch wenn ich sagte, nein." Klingt einleuchtend. Dass das Wochenende bei Susanne nun ins Wasser fällt, versteht sich von selbst.


Heute kann ich nichts mehr tun. Morgen ist wieder ein Tag, versuche ich mir zu sagen. Dennoch möchte ich mir am liebsten die Haare raufen. Aber ich weiss: In Zukunft muss ich einen Weg finden, um in solchen Situationen für Mina einzustehen und es lernen, eine Begegnung abzubrechen, wenn es anfängt, schief zu laufen. Wir machen alle Fehler, aber dieser wird mich noch länger beschäftigen, das spüre ich.



















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