Ein wundersames Wochenende
- Caroline
- 16. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Letzte Woche hatte ich Geburtstag; mitten in einer Arbeitswoche. Schon Wochen vorher hatte mich Nora gefragt, ob ich dann am Wochenende meinen Geburtstag feiern wolle. Ich antwortete ihr: „Ich mache nichts Besonderes an meinem Geburtstag.“ Doch damit brachte sie mich auf eine Idee…
… und ein paar Tage später schrieb ich im Familienchat: „Ihr sei herzlich eingeladen, mit uns am Wochenende meinen Geburtstag in den Bergen zu feiern. Eure Freunde dürft ihr gerne mitbringen.“ Julia war am geplanten Datum in den Ferien, das wusste ich. Doch Nora und ihr Freund freuten sich, und Yasmin, die Schicht arbeitet, hatte genau dann ein seltenes freies Wochenende. Für Mina suchte ich bei einer befreundeten Familie ein Plätzchen fürs Wochenende, damit sie wählen konnte. Mina überlegte nur kurz und sagte dann, sie wolle mit uns kommen.
„Hast du dir das auch gut überlegt mit diesem Wochenende?“, fragte mein optimistischer Göttergatte. „Was das kostet. Und du weisst ja, wenn Mina dann spinnt, haben wir alle nichts davon.“ „Aber dafür muss ich mir kein Geburtstagsgeschenk für dich ausdenken…“
Je näher das Wochenende rückte, desto mulmiger wurde mir. Natürlich wusste ich, wie ungewiss der Ausgang eines solchen Auswärtswochenendes war. Denn Mina reagierte in der Vergangenheit immer sehr empfindlich, wenn wir „Grossen“ miteinander über Dinge redeten, von denen sie nichts verstand. Und wenn jemand anders als sie selbst Geburtstag hatte, war das auch schwierig für sie. Eine Woche vorher hätte ich das ganze Unternehmen am liebsten abgeblasen.
Dann kam Romeo an und monierte halb im Spass, er habe noch kein Programm für das Wochenende in den Bergen erhalten. Zuerst nervte mich das, denn von mir aus hätte man alles spontan vor Ort besprechen können. Doch dann verfasste ich einen ungefähren Plan mit den Programmpunkten für Samstag und Sonntag und schickte diesen an die Familie. Zu meinem Erstaunen reagierten alle äusserst positiv: „Einen sehr guten Plan hast du da gemacht“, meinte mein Mann anerkennend. „Cool, wir freuen uns auf das Programm,“ schrieben auch die grossen Töchter. Mina erzählte ich mündlich, was wir so machen würden. Dann fragte ich: „Wollen wir bei Romeo und Yasmin im Auto mitfahren oder mit dem Zug reisen, Mina?“ „Mit dem Zug“, antwortete Mina.
Zwei Tage vorher schrieb Yasmin im Familienchat: „Ich bin so im Stress mit dem Putzen der alten Wohnung, die ich nach dem Wochenende abgeben muss, dass ich nicht weiss, ob ich überhaupt mitkommen kann.“ Yasmin, wie sie leibt und lebt…
Nun ist Samstagmorgen: Ich habe reichlich Zeit eingeplant, damit sich Mina ohne Stress anzuziehen und mit mir zum Bahnhof zu gehen kann. Abends habe ich sie liebevoll ins Bett gepackt und ihr gesagt, wie sehr ich mich auf das Wochenende mit ihr und den anderen freue, und Mina hat gelächelt. Doch nun fängt sie auf einmal wieder zu trödeln an. Überhaupt kommt sie mir vor wie gelähmt. Roter Zustand, scheint es mir. Ob wir den Zug überhaupt noch erwischen? Immer wieder muss ich mir selber gut zureden: „Ich kann im Moment nichts tun, ausser schauen, dass ich nicht ausflippe, nicht mit Mina schimpfe und ruhig bleibe.“ Irgendwann sind wir am Bahnhof. Die zweieinhalbstündige Reise ist anstrengend, weil ich keine Minute für mich habe. Mina braucht dauernd meine Aufmerksamkeit. Sie redet und redet, und ich muss zuhören. Gelber Zustand mit Tendenz zu rot, sobald ich die Aufmerksamkeit von ihr abwende.
Als ich Yasmin am Ziel zur Begrüssung umarme, fragt sie mich, wie die Reise war. Ehrlich erzähle ich, dass ich erschöpft bin von den langen Stunden, die ich ansprechbar sein musste. Yasmin nickt. Dann treffen Nora und Tim, ihr Freund, ein. Wir wandern einen wunderschönen Weg abwärts, vorbei an Bächen, kleinen Brücken, Wiesen und Wasserfällen. Yasmin nimmt Mina unter ihre Fittiche und verschwindet mit ihr aus unserem Blickfeld. Als ich nach einer Stunde anrufe, um mich zu erkundigen, ob alles ok ist, antwortet Yasmin: „Wir sind schon fast im Hotel. Wir sind alles gerannt, ihr Schnecken!“
Und so geht das wundersame Wochenende weiter: Als wir im Hotel ankommen, geht Romeo mit Mina zum Gartenpool, und ich trödle noch im Zimmer herum. Abends in der Pizzeria klagt Mina über riesigen Hunger. Deshalb bestellen wir für die Erwachsenen etwas zu trinken und für Mina eine Pizza Margherita. Ein Hoch auf die kinderfreundlichen Italiener: Nach nur fünf Minuten wird die Pizza serviert, und Mina verspeist sie ratzeputz. Dann spielt sie ohne weiteres für sich Geschicklichkeitsspiele auf dem Tablet, während wir andern in aller Ruhe Vorspeise und Hauptgang geniessen und reden können, ohne dass Mina in den roten Zustand fällt.
Nach dem Essen will Mina nicht mit Romeo ins Hotel zurück, sondern noch mit uns etwas trinken. Diesmal ist es Tim, der sich Mina zuwendet und ihr einen geheimen Kartentrick beibringt, den sie der Reihe nach mit uns ausprobieren kann. Ein harmonischer Abend bis zur letzten Minute. Als wir um Mitternacht im Bett liegen und ich über den Tag nachsinne, kann ich jetzt schon sagen: Das Risiko hat sich gelohnt…




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