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  • Caroline

Die Abschlussfeier

Letzten Donnerstag war Yasmins lang ersehnte Schulabschlussfeier. Nach vier Jahren Schweiss und Tränen endlich das Maturzeugnis in der Hand halten! Eine wunderbare Gelegenheit für mich, beim Apéro mit Yasmin und ihrem Klassenlehrer anzustossen. Aus Spass streckten wir die Köpfe zusammen und überlegten, wer von uns dreien wohl am meisten Einsatz gezeigt habe: Der Klassenlehrer, der Yasmin immer wieder ermutigt und ermahnt hatte, regelmässig die Schulstunden zu besuchen und unliebsame Lehrpersonen nicht einfach abzuschreiben? Oder ich als Mutter, die Yasmins Hochs und Tiefs hautnah miterlebt, sie in die Arme genommen und an sie geglaubt hatte? Nein, natürlich war es Yasmin selbst, die am härtestens gearbeitet hatte, die Tag für Tag Willensstärke zeigte, nicht nach links und rechts schaute zu den vielen KlassenkollegInnen, die scheinbar mühelos alles aus dem Ärmel schüttelten, und einfach weitermachte.


Wahrlich ein Grund zum Feiern! Doch mich einfach festlich anziehen und sorgos mit Yasmin und der Familie feiern gehen, so einfach war's dann doch nicht, sondern brauchte noch einmal Einsatz... Yasmin hatte schon vor Wochen klar gemacht, dass auf jeden Fall beide Eltern bei der Maturfeier anwesend sein müssten. Und sie wolle einen Abend lang einfach mit uns im Restaurant sitzen und dann noch etwas trinken gehen können, ohne auf die Uhr sehen zu müssen. Verständlich. Deshalb als erstes mit Mina vorbesprechen, dass sie diesmal zu Hause bleiben würde. Dann eine Babysitterin für sie suchen. Doch woher nehmen und nicht stehlen? Im Pfadiumfeld von Julia wurden wir schliesslich fündig. Einmal kam die 15-Jährige Angie bei uns vorbei. Gegenseitige Sympathie vorhanden. Soweit so gut.


Und dann war auch schon der Tag der Feier da - der erste Babysittereinsatz musste also gleich klappen. Ich hatte es so berechnet, dass die Babysitterin 30 Minuten, bevor ich aus dem Haus musste, eintreffen sollte. Dies reichte Angie gerade so nach der letzten Schulstunde. Ich musste ihr noch zeigen, wo das Essen im Kühlschrank war und ihr sagen, wann Mina ins Bett musste und und und... Doch 10 Minuten vor dem verabredeten Zeitpunkt erhielt ich eine mysteriöse Nachricht: "Habe gerade eine ziemlich unerfreuliche Mitteilung bekommen. Ist es easy, wenn ich 15 Minuten später komme?" Nein, voll uneasy, dachte ich erschrocken und schrieb zurück: "Nein, bitte komm' sofort!" In meinem Kopf spielte sich schon das Szenario ab, dass die Babysitterin in ihrem Liebeskummer - oder wegen was auch auch immer - so durcheinander sein könnte, dass sie überhaupt nicht kommen würde. Und was dann?


Währenddessen ging Yasmin zu ihrem Klassenfototermin. Das heisst, sie hätte gehen sollen, entdeckte aber leider in letzter Minute noch einen riesigen Parfümfleck vorne auf ihrem kunstseidenen grünen Abendkleid. Was nun? "Wie lange hast du denn noch Zeit bis du gehen musst, Yasmin?" fragte ich vorsichtig. "Gar keine, verdammter Mist, ich müsste jetzt gehen", antwortete Yasmin, ganz die Dame, rieb pro forma mit einem nassen Lappen auf dem Fleck herum und stürzte aus dem Haus.


Dann trudelte zum Glück die Babysitterin ein. Sie zeigte keine erkennbaren Spuren von seelischer Aufgelöstheit, deshalb spulten wir im Eiltempo herunter, was sie noch wissen musste. Und was machte Mina in der ganzen Aufregung? Sie hüpfte auf einem Bein herum und sagte: "Mami, du darfst nicht gehen, du musst bei mir bleiben," liess mich aber schliesslich gehen ohne mir nachzurennen oder mich an den Beinen festzuhalten. Danke, Mina!


Die Maturfeier dauerte geschlagene 90 Minuten und brachte unseren Zeitplan zusammen mit dem Apéro, den vielen Fotos und Umarmungen ziemlich durcheinander. Egal, sie hielten uns den reservierten Tisch im Garten frei, versprachen sie im Restaurant auf Anfrage. Bis wir schliesslich dort eintrafen, hatte ich einen Bärenhunger. Doch 100 m vor dem Lokal läutete mein Telefon - die Babysitterin. "Ja, was ist?" "Mina liegt auf ihrem Bett und weint. Essen will sie auch nichts. Sie möchte das Mami ans Telefon. "Okay, gib sie mir", antwortete ich wenig begeistert, hörte aber nichts am anderen Ende. "Mina will nicht reden," sagte die Babysitterin, "aber sie hört dich." Na super, dachte ich. "Mami, du musst heimkommen," vernahm ich schliesslich schwach eine weinende Minastimme. Vor mir ging Yasmin mit den anderen schon ins Restaurant. Hoffentlich bekommt sie nichts mit davon, dachte ich und blieb stehen. Leider hatte ich keinen Zaubertext auf Lager, sondern konnte nur sagen, dass ich jetzt nicht heimkommen könne, weil jetzt noch das Essen noch komme. Dass ich Mina aber lieb habe und sie ganz fest in meinem Herz drin sei. Dann sagte ich tschüss und hängte schnell auf. Der Appetit war mir vergangent. Aber es war ja Yasmins Feiertag, deshalb weiter im Text.


Bei der Vorspeise schrieb die Babysitterin, Mina sei jetzt ohne Zähneputzen und noch in ihren Kleidern auf unserem Bett eingeschlafen. Danach schmeckte mir das Essen gleich doppelt so gut... Blieb noch die Frage, ob die neue Babysitterin geschockt über ihre Premiere mit Mina den Babysitterjob gleich wieder an den Nagel hängen würde. Dabei könnten wir sie doch so gut brauchen... Doch als ich Angie nach unserer Heimkehr fragte, wie denn der Abend mit Mina für sie gelaufen sei, antwortete die Teenagerin ganz cool: "Voll easy, ich war genau so ein Kind wie Mina. Bei jemand Fremden habe ich auch nicht spielen und essen wollen. Ich komme gerne wieder einmal."


Ende gut, alles gut...








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