Anfang Dezember war Noras Geburtstag - und Mina hat das ganz toll gemacht. Was Mina mit dem Geburtstag von Nora zu tun hat? Nur Geduld. Beginnen wir ganz am Anfang...
Im November wurde Mina neun Jahre alt. Wie viele Kinder ihres Alter wartete sie sehnlichst auf diesen Tag. Als ich an ihrem Geburtstag morgens aufstand, war Mina schon lange wach und sang für sich selber selig "Happy Birthday to you..." Glücklich schwirrte sie dann ab in die Schule und kam auch mittags wieder singend nach Hause. „Zum Geburtstag viel Glück, liebe Mina…“ hörte ich bereits im Treppenhaus. Ganz im Gegensatz zu unseren grossen Töchtern in diesem Alter gab es an diesem Tag keine Sturzflut von Tränen wegen übersteigerter Erwartungen, sondern Mina war einfach nur glücklich. „Ich bin eindeutig dafür, dass es mich gibt“, hätte an diesem Tag auf Minas Stirn stehen können.
Nun ist es in unserer Familie so, dass schon fünf Tage nach Minas Geburtstag das nächste Geburtstagskind gekrönt wird, nämlich Romeo, und wieder fünf Tage danach Nora. Für Mina ist es schwierig, die Geburtstagsaufmerksamkeit so schnell wieder abgeben zu müssen. Die 26-jährige Nora liebt es ebenfalls schon seit Kindertagen, ihren Tag zu feiern. Das war auch heuer nicht anders. Nora verbrachte ihr Geburtstags-Wochenende beim Wellnessen und wünschte sich dann am Sonntagabend Wienerschnitzel und Schoggimousse bei uns daheim.
Bevor Nora und Tim, ihr Freund, nun bald zum Abendessen eintreffen, macht Mina für uns ihren Spezialsalat mit Rüeblischeiben, Peperoni und Gurkenwürfeln. Auf diese Kreation ist sie zu Recht stolz, sie selber priobiert aber nie davon... Alles lässt sich recht gut an. Natürlich ist Mina etwas hibbelig wegen des Besuchs. Tim, Noras Freund, kann gut mit Kindern. Manchmal driftet er mit Mina zusammen allerdings auch etwas ab, und dann schaukeln sie sich gegenseitig hoch. Nach dem Essen spielen wir eine Runde Aladins Wunderlampe, Minas Lieblingsspiel. Dann hole die Schoggimousse vom Balkon. Soweit so gut.
Beim Dessert fällt mir auf, dass Julia (23) fehlt. Merkwürdig, Julia mag doch Schoggimousse. Als ich unsere Zweitälteste holen will und an Julias Zimmertüre klopfe, bekomme ich keine Antwort. Schliesslich drücke ich die Türklinke runter. Abgeschlossen. Seltsamer und seltsamer.
Beim Dessert fegt Mina wie ein Derwisch um den Tisch herum. Wohl wieder mal etwas zu viel Gas gegeben mit Mina, der gute Tim, denke ich. In ihrer Hand hält Mina etwas, das wie ein zerbrochenes Muschelstück aussieht. Auffordernd zeigt sie auf ihre Zähne, von denen einer so wie ganz schwach blutig aussieht. Aha, Mina will uns weismachen, das sei ein Stück abgebrochener Zahn, was sie da in der Hand hält. Für mich ist das eine blosse Randnotiz während des Nachtischs. Aber Julia taucht einfach nicht mehr auf. Als Nora und Tim sich schliesslich verabschieden, bringe ich Mina zu Bett.
Als wir nebeneinander im Bett liegen, runzelt Mina die Stirn und sagt wütend: "Nie mehr rede ich mit Julia. Von jetzt an wechsle ich die Strassenseite, wenn ich sie kommen sehe. Mein Leben lang!!" Nanu, woher kommt diese Netflixserien-Ausdrucksweise? Reichlich theatralische Redewendung für eine Neunjährige, denke ich. Dann erzählt Mina, es sei Tims Idee gewesen, Julia und uns anderen weiszumachen, das abgefallene Muschelstück von Tims Armband sei ein abgebrochener Zahn. Julia als ernsthafte und gewissenhafte Medizinstudentin hat die Geschichte offenbar geschluckt und war geschockt. Notfall am Sonntagabend und so. Als sie merkte, dass sie von Tim verladen worden war, wurde Julia böse und verschwand in ihrem Zimmer. Mina, die mit ihren feinen Antennen spürte, dass etwas nicht okay war, ging Julia nach und fragte sie, was los sei. Julia öffnete die Türe und sagte Mina wahrheitsgemäss, sie sei gerade richtig wütend. Mina, wieder mal bei zwei Erwachsenen zwischen Stuhl und Bank gefallen, dachte, Julia sei auf sie wütend. Und fiel in den roten Zustand. Und so braucht es heute ein Weilchen, bis Mina sich einigermassen beruhigt hat und einschlafen kann.
Als Mina im Bett ist, erzählt Julia mir die ganze Geschichte. Einschliesslich des Teils, dass sie nicht auf Mina, sondern auf Tim als Erwachsenen wütend war. Und so kann ich Mina am Morgen vor der Schule nochmal beruhigen und ihr versichern, dass Julia kein Stück wütend ist auf sie, sondern bloss auf Tim, der sich die ganze Sache ausgedacht und Mina losgeschickt hat, um uns andere reinzulegen. Dann ist wieder alles gut zwischen Julia und Mina. Na endlich, doch noch Happyend in der Netflix-Serie…
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