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Caroline

Schwierige Gespräche

Kennt ihr das auch? Ihr müsst bei eurem Pflegekind ein heisses Thema ansprechen. Vielleicht wart ihr auch im Coaching wie ich und habt gute Ideen bekommen, wie man so ein Gespräch führen könnte. Dort klang alles noch vielversprechend und einleuchtend. Aber sobald ihr nach Hause kommt und daran denkt, besagtes Gespräch nun auch zu führen, flieht aller Mut zusammen mit den schönen Sätzen, die ihr aufgeschrieben hat, zum Fenster hinaus...


Schon lange müsste ich mit Mina über ihre Autofahr-Angst sprechen. Doch irgendwie glaube ich selbst nicht daran, dass wir etwas ändern können. Wir haben doch schon soviel versucht, und es ist immer schlimmer geworden. Was Autofahr-Angst ist, fragt ihr mich? Nun, etwa dasselbe wie Flugangst, einfach beim Autofahren statt beim Fliegen. Auch als Mina noch jünger war, war das Autofahren mit ihr unberechenbar. Manchmal ging alles glatt, und manchmal schrie und tobte sie eine gefühlte Ewigkeit.


Doch seit etwa einem Jahr hat sich das bei Mina irgendwie verfestigt, und sie will am liebsten gar nicht mehr ins Auto steigen. Und wenn sie es doch tut, beginnen prompt die Körpersymptome, kaum ist das Auto gestartet. "Mached s Fenster uf, ich ha heiss, min Chopf isch heiss und mir isch schlächt. Ich mues glaub bald kotze", sagt Mina dann. Natürlich öffnen wir das Fenster, aber das hilft auch nicht. "Min Chopf isch heiss und mir isch schlächt. Ich mues glaub bald...," klagt sie dann die ganze Fahrt über. Ziemlich grässlich für alle im Auto, und am schlimmsten natürlich für Mina. Deshalb vermeiden wir das Autofahren wenn immer möglich. In die Ferien reise ich mit Mina mit dem Zug, die anderen mit dem Gepäck im Auto. Als wir Mina letzten Sommer einmal doch zum Autofahren überredeten und dann nach dem Baden halt auch wieder heimfahren mussten, retteten uns nur Sprudelbonbons, die ich zufällig dabei hatte, und spontan erzählte Geschichten über die grossen Schwestern, als die klein noch waren.


Die Idee aus dem Coaching heisst Desensibilieren, also im ganz Kleinen anfangen, sich der Situation zu stellen und sich dabei besser zu fühlen: In Minas Zimmer ein Auto nachbauen, das Darinsitzen simulieren. Schauen, wie das geht. Dann ins geparkte Auto einsteigen. Dann eine kurze Runde fahren, dann eine längere, etc. Soweit das Konzept. Aber zuerst muss ich Mina noch sagen, dass auch andere Menschen Ängste haben, so wie sie beim Autofahren. Aber wie soll ich das anpacken, wenn ich es zwar theoretisch für möglich halte, dass sich Minas Autofahr-Angst verkleinern lässt, aber riesige Zweifel habe, dass ich als Pflegemutter so etwas hinkriegen könnte? Ich fühle mich wie gelähmt, wenn ich nur schon daran denke.


Aber dann kam dieser Tag, an dem ich mit Mina bei Pommes und Chicken Nuggets in einem Fast Food-Imbiss sass, und nichts anders zu tun hatte, als neben ihr zu sitzen. Ich mag nämlich keine Chicken Nuggets. Wahrscheinlich fühlte ich mich in dieser Umgebung weniger unter Druck, für das schwierige Thema auf Anhieb die richtigen Worte finden zu müssen. Und so fing ich einfach an zu reden, und alles sprudelte aus mir heraus. Und mir kam sogar noch eine neue Idee...


"Du fährst doch mega nicht gerne Auto, oder, Mina? Du sagst dann immer, sobald wir abgefahren sind: "Ich han heiss, en heisse Chopf und mir isch schlächt, und ich mues glaub bald kotze." Weisst du, es gibt auch andere Leute, die fahren nicht gerne Auto oder reisen sehr ungern im Flugzeug. Denen wird dann auch ganz heiss und schlecht vor Angst. Wir könnten doch in deinem Zimmer mal zusammen ein Auto bauen. Dann setzen wir uns hinein und stellen uns vor, wie der Motor startet und wir losfahren. Weisst du, wir könnten es zuerst so spielen, dass ICH als Mami nicht gerne Autofahre. Ich sage dann zu dir: "Mina, ich han heiss, en heisse Chopf und mir isch schlächt, und ich mues glaub bald kotze." Und du sagst dann zu mir: "Ja, ich weiss, Mami. Es gibt auch andere Leute, die Angst haben vor dem Autofahren. Ich glaube, du schaffst das, du kannst das aushalten, und das nächste Mal wird es dann schon leichter für dich. Ich gebe dir jetzt ein Sprudelbonbon in den Mund, das so chrüselet, Mami. Das lenkt dich schön ab. Und ich erzähle dir lustige Geschichten von den grossen Schwestern, als sie klein waren, ok?"


Zu meinem Erstaunen hört mir Mina aufmerksam zu, während sie genüsslich Pommes und Chicken Nuggets in viel zu viel Ketchup tunkt und in den Mund steckt. Und ich merke, dass mir das Erzählen sogar Spass macht. Als ich zur Stelle komme, wo Mina mir als Mami lustige Geschichten zur Ablenkung erzählt, müssen wir beide lachen. Alkohol löst die Zunge, so sagt man doch. Langweilige Fastfood-Läden offenbar auch...


P.S. Als sie schliesslich fertig gegessen hat, beginnt Mina zu grinsen und sagt: "Du Mami, aber wenn wir dann das Auto bei mir im Zimmer bauen, dann kann ich halt den ganzen Tag nicht in die Schule, oder?!"






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