Samstag Nachmittag. Eine Woche wunderbar erholsamer Jura-Ferien liegen hinter uns. Niemand war krank, das Wetter einigermassen okay, die anderen Kinder nach Minas Geschmack, das Hallenbad 12 Stunden am Tag geöffnet, die Sauna eingeheizt... Alles im grünen Bereich.
Jetzt fahren Mina und ich mit dem Zug heim, während Nora und mein Mann noch wandern und dann mit dem Auto nachkommen. Ich staune - Mina ist so gross geworden! Ich kann ganz vernünftig mit ihr besprechen, wann wir Pause machen und was wir zu Mittag essen. Ergebnis: Brezel vom Brezelstand für Mina, Thonbrötli für mich, shoppen für Mina, etc. Im Zug beschäftigt sie sich selber - mal abgesehen davon, dass sie alle paar Minuten etwas wissen muss... Beim Heimkommen sind meine Energiebatterien dann leer. "Mina, ich brauche jetzt als erstes ein Mittagsstunden-Schläfchen. Brauchst du vorher noch etwas von mir?", frage ich. Und an Julia gewandt, die daheim ist und gerade mit Mina spielt, sage ich: "Bringst du Mina für die Mittagsstunde in ihr Zimmer, wenn du genug vom Spielen hast?" "Ach was," erwidert Julia. "Ich bekomm' doch nicht genug von Mina nach einer Woche ohne sie..." Da scheint ja die grosse Liebe ausgebrochen zu sein. Wie lange die wohl anhält...? Ich sinke mit meinem Krimi ins Bett und schlafe schon bald ein. Grüner Bereich vom Feinsten, denke ich als letztes.
Als der Mittagsstundenwecker klingelt, stehe ich auf und gehe ich in den Flur. Dort sehe ich, wie Mina schreiend die Badezimmertür aufreisst und auf meinen Mann losstürzt, der offenbar auch daheim eingetroffen ist. Oje, in den roten Bereich gekippt, registriere ich. Keine Ahnung, was vorgefallen ist. Was ich aber weiss ist, dass Mina sofort Intensivbetreuung mit Teddybär und Kuscheltuch braucht. Als sie sich etwas beruhigt hat, ist mein Mann um so mehr frustriert: "Ich fahre mal das Auto in die Tiefgarage," sagt er brummig und verschwindet. Später erzählt er, dass Mina Julias T-Shirt mit Erdbeeren verschmiert habe. Er habe sie aufgefordert, sich bei Julia zu entschuldigen, und da sei Mina ausgeflippt. "Kaum daheim, spinnt sie schon wieder, ist schon mühsam," meint er noch.
Dann ist es Zeit für die grösste Herausforderung des Tages: Minas Haare entwirren, waschen und neu frisieren. Nach einer Woche täglich einmal Hallenbad gleichen ihre Haare einem Vogelnest: Chrüsimüsi mit Knoten darin. Eine tolle Aufgabe, diese Locken zu bändigen! Aber Pflegemütter können ja fast alles... Ich setze Mina vor den Fernseher und kippe viel, sehr viel Haarpflege in ihre Haare. Ein paar Minuten später beginne ich vorsichtig mit Kämmen, zuerst von Hand und dann mit dem grobzinkigen Kamm. "Au, Mami, du tust mir weh!", heult Mina auf. Nun ja, wir brauchen heute wohl beide etwas mehr Geduld. Dafür liebt Mina das Baden im hoch aufgetürmten Schaum. Soweit so gut.
Nach der Badewanne folgt Julias Teil der Haarprozedur, denn sie ist die einzige in der Familie, die Zöpfe so flechten kann, dass sie ein bis zwei Wochen halten. "Julia, würdest du jetzt Minas Zöpfe machen?," frage ich vorsichtig. "Na klar. Wie könnte ich Mina etwas abschlagen, wenn sie so süss auf meine Knien sitzt?" antwortet Julia. Kaum zu glauben, denke ich, und beginne mit dem Abendessen. Schinkengipfeli, eins von Minas Lieblingsessen, steht auf dem Programm. Doch schon nach zwei Minuten schreit Mina zum Steinerweichen: "Maaaami, du musst kommen, schnell!" Ich gehe zu Mina und nehme ihre Hand. "Mina, heute ist es nötig, dass du richtig tapfer bist, damit wir die Knoten in den Haaren ganz rausbringen. Julia ist so behutsam wie möglich mit dir, das weiss ich." Mina murmelt etwas Unverständliches.
Zurück in der Küche höre ich Mina immer wieder mal von weitem aufheulen. Mit ihren Haaren hat sie echt Issues, wie unseren grossen Töchter sagen würden:) Jedes noch so kleine Ziepen ist eine riesige Sache für sie. Aber wenigstens ruft sie nicht mehr nach mir, denke ich. Falsch gedacht.
Denn beim Essen kommt das dicke Ende: Julia eröffnet mir kurz und bündig, dass sie Minas Zöpfe heute zum allerletzten Mal gemacht habe: "Ich mach' das nicht mehr, Mami. Such halt für Mina eine traumaausgebildete Coiffeuse. Vielleicht lässt die sich ja beim Zöpfemachen beissen, schlagen und anschreien. Aber das muss ich mir echt nicht mehr geben." Julia ist kein impulsiver Typ. Wenn sie so etwas sagt, klingt es endgültig. Und was macht nun die Pflegemutter, die eben nicht alles kann, schon gar keine Haarissues wegzaubern?!? Grüner Bereich gerade höchstgefährdet. Irgendwie wird da geredet und eine Lösung gesucht werden müssen. Fortsetzung folgt...
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